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Von Betrügern und Betrogenen

Verantwortlicher Autor: Herbert J. Hopfgartner Salzburg, 24.09.2020, 11:37 Uhr
Fachartikel: +++ Kunst, Kultur und Musik +++ Bericht 12507x gelesen

Salzburg [ENA] Pleiten und Bankrotte, flüchtige Manager und fehlende Millionen – beinahe täglich erscheinen Berichte über derartige Delikte. Ob im Internet oder im realen Leben, ob kleine Gauner oder internationale Syndikate, ob private Konflikte oder globale Machenschaften: Manche Menschen scheinen eine Menge an krimineller Energie aufzubringen, um andere zu belügen, zu hintergehen und in erheblichem Ausmaß zu schaden.

Das Spiel um Vertrauen: Grundsätzlich ist die bewusste Täuschung eine berechnende, nüchtern überlegte und eigennützige Handlung, die man begeht, um sich auf Kosten anderer oder sogar vieler einen (finanziellen) Vorteil zu verschaffen. Das Wort selbst (mnd. „tüschen“ bzw. nl. „tuisen“) dürfte ursprünglich aus dem Würfelspiel stammen, wobei es eine hinterlistige Irreführung des Gegenspielers beschreibt. Professionelle Betrüger erschleichen sich überraschend schnell das Vertrauen ihrer Opfer. Sie erkennen rasch deren Bedürfnisse und Wünsche – und geben vor jene zu stillen.

Betrügerische Menschen verschmelzen sowohl mit ihrer verzerrten Selbsteinschätzung als auch mit einer tendenziell entstellten Wahrnehmung der Umwelt. Der Heiratsschwindler, der Hochstapler, der falsche Arzt, der Kunstfälscher oder der vermeintlich erfolgreiche Börsenguru will nicht nur anerkannt und geschätzt, sondern auch geliebt und bewundert werden. Und das immer wieder; der „Thrill“ ein nächstes Abenteuer zu erleben, ist groß. Nebenbei erfordert es einiges an Geschick, um das Alter-Ego, die zweite Identität, aufrecht zu erhalten – ansonsten würde ja die „Verkleidung“ bzw. der Bluff sofort erkannt werden.

Zahlreiche Opfer berichten von einer echt empfundenen Freundlichkeit, die sie beim Täter bemerkt haben wollen. Sie verfallen dieser scheinbaren Liebenswürdigkeit und Herzlichkeit, weil sie überzeugt sind, (endlich) einen zuverlässigen Freund, vertrauenswürdigen Mediziner oder redlichen Geschäftspartner gefunden zu haben. Geradezu grotesk mutet die Situation an, dass Betrogene sogar rechtskräftig verurteilten Betrügern noch Glauben schenken.

Zur Psychologie des Betrügers: Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung neigen dazu, ihr geringes Selbstwertgefühl durch eine übertriebene Einschätzung der eigenen Wichtigkeit und den großen Wunsch nach Anerkennung und Bewunderung zu kompensieren. In Analysen von Täterprofilen hat sich zudem gezeigt, dass nicht wenige Betrüger als Kind entweder die Rolle des Partner-Ersatzes für die Mutter oder die des Harmonie-Stifters in einer schon beschädigten elterlichen Beziehung übernommen haben. Sie durften also nicht Kinder sein, sondern mussten über Jahre die Wünsche und Sehnsüchte ihre Mütter oder Eltern erfüllen.

Schon sehr früh lernten sie die Befindlichkeiten der Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung wahrzunehmen bzw. auf diese zu reagieren. In ihrer Inszenierung als Schwindler verlieren sie die Gefühle der Minderwertigkeit, wobei sie sich – um des Applauses willen – auch oft genug generös und freigiebig zeigen. In diesen Situationen genießen sie für kurze Zeit die Rolle des Gönners, Mäzens und großzügigen Freundes. Der Hunger nach diesen außergewöhnlichen Momenten, dem Eindruck der eigenen Grandiosität, bleibt allerdings bestehen…

Psychopathischen Betrügern fehlt die Empfindung für eine soziale Verantwortung, sie haben nur ein gering ausgeprägtes Gewissen und daher auch wenig Angst vor einer Enttarnung. Ausgestattet mit der Begabung viele Emotionen täuschend echt nachzuahmen, geben sie dem Opfer sehr schnell das Gefühl, dass sie dessen Gemütslage und Stimmung verstehen und nachempfinden können. Später entpuppen sie sich als gewissenlose und empathielose Egoisten, die lediglich an Macht und der Kontrolle über Menschen interessiert sind. Das in sie gesetzte Vertrauen nutzen sie rücksichtslos aus, während sie das Schicksal anderer, insbesondere alter oder schwacher Menschen keineswegs beeindruckt. Sie erniedrigen andere Menschen, um sich selbst zu erhöhen.

Eine unheilvolle Allianz: Eigentlich wäre ja Vorsicht und vielleicht sogar Argwohn am Platz, wenn fremde Finanzexperten uns eine „vertrauliche“ Information über eine Möglichkeit schnell und einfach reich zu werden, geben. Allein die Wortwahl ist auffällig genug: "Die wichtige Botschaft sei nur für wenige Menschen gedacht und man müsse natürlich schnell handeln, weil sonst viel zu viele Menschen die unglaubliche Chance ergreifen würden."

So oder ähnlich lauten die Texte im weltweiten Netz der unbeschränkten Möglichkeiten. Dubiose Dating-Plattformen, die ununterbrochen den Markt der Triebe bedienen, funktionieren wahrscheinlich gleichermaßen: Mit ein paar Mausklicks scheint man dem Traumpartner nahe zu sein, zumindest online. Betrüger, die es auf das Vermögen von alten Menschen abgesehen haben, verwenden den wohlbekannten „Neffen-Trick“, Überredungs-künstler überzeugen durch scheinbar stichhaltige Argumente und einstudierte Körpersprache, während andere gekonnt heucheln, dass sie sich in einer fürchterlichen Notlage befänden – kurz: Man spielt mit Emotionen, suggeriert Mitgefühl und missbraucht dann ungeniert das in einen gesetzte Vertrauen.

Viele der Opfer schweigen – aus Scham, viel Geld oder Reputation verloren zu haben und aus Angst zum Gespött zu werden. Außerdem sind sie skeptisch, ob sie auf dem Weg durch die gerichtlichen Instanzen überhaupt mit einer Wiedergutmachung des erlittenen Schadens rechnen können. Andere glauben, dass sie einfach nur Pech gehabt haben und setzen – gleich dem Roulettespieler – unverdrossen auf die nächste Chance. Mitunter ist auch das Phänomen zu beobachten, dass sich Opfer mit dem charmanten Betrüger identifizieren. Verunsicherte Menschen glauben vor allem, weil sie glauben wollen. Gleiches gilt für die Politik…

Verbrecher mit weißem Kragen: Erfolgreiche Betrüger sind Blender, vielleicht auch charismatische Persönlichkeiten, die Menschen verleiten, das zu tun, was ihnen nützt. Sie verheißen einen Gewinn, versprechen viel und verführen ihre Opfer, indem sie ihnen vorgaukeln, dass es jene selbst sind, die eine leichtfertige und unverantwortliche Handlung ausführen. Oft genug erscheinen sie im Anzug, weißem Hemd, Krawatte und teuren Accessoires und wirken so, als seien sie seriös, angesehen und kompetent. Einem Mann mit blendendem Aussehen, guten Manieren und eloquentem Auftreten, der ständig von großen Aufträgen, besten Geschäften und hohen Gewinnen spricht, muss man aber nicht unbedingt glauben.

Psychopathen zu erkennen, erscheint ungleich schwieriger. Möglicherweise bemerkt man hinter der Maske des einfühlsamen Gesprächspartners doch früh genug eine gewisse Gleichgültigkeit und Kälte. Psychopathische Betrüger gelten in der Forensik immerhin als impulsiv und hemmungslos – vermutlich lohnt es sich diese Menschen genau zu beobachten, wenn sie gerade nicht in ein Verkaufsgespräch vertieft sind. Wenn sie eine Serviererin grundlos schikanieren oder einen Mitarbeiter am Telefon attackieren, ist äußerste Vorsicht angebracht.

Wo die Grenze zwischen einem Gauner und einem Verkäufer, der gutgläubigen Kunden so ziemlich alles andrehen kann, genau verläuft, lässt sich schwer sagen. Über Enttäuschungen reden Menschen nicht allzu gern…

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